Schlagen wir heutzutage eine Zeitung auf oder öffnen eine Nachrichten-Website, bestimmen Fotografien von Terror und Gewalt das Bild dieser Medien. Die Bekanntgabe der unangenehmen und realen Geschehnisse schreckt viele Leser ab.
Mit der Einführung der Kamera hielt sich anfangs der Glaube, dass alles, was sie zeige, der Wahrheit entspräche. Aber aufgrund der vielfach angewandten Bildmanipulationen bereits in den ersten beiden Weltkriegen werfen Kriegsbilder inzwischen auch Fragen nach Objektivität und Glaubwürdigkeit auf. Der Zusammenhang zwischen Bild und Realität ist nicht immer verlässlich. Oft stellt das Verhältnis von Sehen und Wissen oder Vorstellung und Wirklichkeit auf den zweiten Blick ein Problem dar. Der Krieg soll in ein bestimmtes, gewolltes Licht gerückt und Ereignisse vertuscht werden. Das Gefühl einer nicht-neutralen Berichterstattung kommt auf und Zweifel an der Authentizität der Bilder entstehen. Vor allem die technischen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters erlauben multiple Veränderungen der Originalbilder.
Der Krimkrieg (1853-1856) kann laut dem Autor Anton Holzer als erster Medienkrieg der Geschichte gelten. Viele Reporter, Fotografen und Illustratoren waren vor Ort. Die modernen Kommunikationsmittel erlaubten eine stetige Übermittlung der Geschehnisse an das eigene Heimatland. Sowohl militärische als auch zivile Vorgänge wurden inszeniert, um den Bedarf vieler Berichterstatter zu decken. Das Schlachtfeld gewann in der Fotografie an Bedeutung als Ort der Gefallenen. Das Interesse für die Ereignisse im Krieg stieg durch zunehmend spektakuläre und kommerzielle Bildberichterstattung immer mehr in der Zivilbevölkerung an und die Medien konnten durch eine ausgefeilte ästhetische Gestaltung ein bestimmtes Bild vom Krieg gezielt erwirken. Zivile Ereignisse wurden sorgfältig inszeniert. Der Krieg wurde in Bildzeitungen, Kunstausstellungen und anderen Foren visueller Kultur ausgetragen. Beinahe jeder konnte seine Kriegsansicht darstellen.
Mit der Entstehung der Massenfotografie entwickelte sich im ersten Weltkrieg eine neue Sichtweise, wie der Krieg die Gesellschaft beeinflusste und veränderte. Die Fotografie wurde auch als Kriegs-Propagandamittel entdeckt. Viele Bilder wurden nachgestellt und Szenen ins „richtige“ Licht gerückt, um den Krieg aus Sicht des eigenen Volkes zu verschönern. Mittels siegesgewisser Posen der Soldaten für die Kamera sollte die Bevölkerung für den Krieg motiviert werden.
Abbildung 1: Österreichische illustrierte Zeitung
Dieses Bild zeigt österreichisch-ungarische Soldaten, die triumphierend nicht-explodierte, gegnerische Geschosse in die Luft halten. Das Foto soll die Überlegenheit der Soldaten gegenüber ihrer Gegner verdeutlichen. Es entsteht der Eindruck, dass diese Soldaten sich ihres Sieges gewiss sind und den Krieg schon so gut wie gewonnen haben. Doch die Geschehnisse hinter diesem gestellten Bild bleiben dem Betrachter verborgen.
Im Zweiten Weltkrieg war die Technik hinsichtlich Bildmanipulation schon weiter fortgeschritten. Auf Bildern wurde Ungewolltes wegretuschiert oder Gewolltes hinzugefügt.
Stalin ließ Personen aus der bolschewistischen Partei nach ihrer Hinrichtung aus Fotos ausradieren. Die ehemals führenden Kommunisten Trotzki und Kamenew, welche unter Stalin umgebracht wurden, sind aus einigen Bildern entfernt worden. Ohne Bild gab es keine Geschichte. Auf der Abbildung 2 sieht man Lenin bei der Ansprache zur Oktoberrevolution auf einem Podest. Rechts, etwas unter ihm stehend, Trotzki und Kamenew. Stalin ließ diese nachträglich entfernen (Abbildung 3) und Lenin wurde in eine „bessere“ Pose gebracht.
Abbildung 2: Lenin am 5. Mai 1920, Rede vor der Roten Armee – Original
Abbildung 3: G.P. Goldberg, 1927 veröffentlichte Fälschung
Lenin ist auf dem gefälschten Bild mehr dem Volk zugewandt. Die wegretuschierten Personen Trotzki und Kamenew können nicht mehr mit Lenin in Verbindung gebracht werden.
Im zweiten Weltkrieg waren einige der Deutschen bereits im Besitz einer Kamera. Durch den Fotoapparat konnte die Bevölkerung nun selbst Fotos aufnehmen und als Beweisstücke sammeln. Immer mehr Menschen konnten sich ihre eigene Meinung vom Krieg bilden und so kam es zu einer Vielzahl von Ansichten über den Krieg. Diese Fotografien ermöglichten die Aufnahme des Krieges durch die eigenen Augen, welche auch als Sinnesorgan des zweifelnden Fragens bezeichnet werden können. Die Bilder sind demnach auch eine Herausforderung für die Wahrnehmung. Die Infragestellung der Glaubwürdigkeit der veröffentlichten Bilder war nun keine Seltenheit mehr.
Der Tod wirkt vor allem in den privaten Fotografien besonders erschreckend und beeindruckend zugleich (vgl. Holzer 2003: 15). Private Aufnahmen zeigen einige Aspekte des Todes offener und unverschämter. Sie werden jedoch häufig unter Verschluss gehalten und dringen nicht an die Öffentlichkeit. Oft gehen sie auch verloren – die wichtigen Beweisstücke für das Leid und die Gräueltaten im Krieg. Der Verlust bzw. die Geheimhaltung solch bedeutender Dokumente verhindert eine gute und unverfälschte Wahrnehmung vom Krieg. Sie sind weniger inszeniert und zeigen das, was wirklich passiert ist, offensichtlich sehr gut auf.
Häufig wird die Visualisierung durch Bilder im Krieg dazu benutzt, die Stellung von Politikern oder eines Landes besser darzustellen. Heldenhaft und sauber soll ein Krieg wirken, um die Legitimation des Handelns der Repräsentanten zu unterstreichen.
Ein Beispiel hierfür ist der Irak-Krieg. Dieser wurde 2003 durch mehrere Lügen von Seiten George W. Bush und einiger anderer hoher Tiere der CIA ausgelöst. Der damalige US-Außenminister Colin Powell belegte die Legalität des Irak-Krieges vor dem UN-Sicherheitsausschuss mittels angeblicher Fotos von mobilen Biowaffen-Laboren im Irak. Auch wurden selbst grafisch entworfene Lastwagen, welche als Chemiewaffenbunker und Biowaffen-Labore dienen sollten, als Beweis für die drohende Gefahr des Iraks für die Welt präsentiert. Die gefälschten und verpixelten Fotografien überzeugten. Der Irak-Krieg wurde scheinbar berechtigt begonnen. Zwei Jahre später gab Powell zu, dass die Fotos gefälscht gewesen seien. Kampfstoffe konnten im Irak nie gefunden werden. Auch die Biowaffen-Labore waren frei erfunden.
Abbildung 4: Foto: DPA, Satellitenaufnahmen der angeblichen Biowaffen-Labore
Ebenfalls können auch unterschiedliche Ausschnitte eines Bildes die Wahrnehmung eines Geschehens beeinflussen. Sehen wir nur einen Teil eines Bildes, können wir es sehr leicht fehl interpretieren. Die folgende Fotomontage zeigt dies sehr deutlich.
Abbildung 5: Ursula Dahmen: „Irakischer Soldat“
Diese Fotomontage wurde von Ursula Dahmen für den Tagesspiegel angefertigt, um die Bedeutung der Bildmanipulation hervorzuheben. Auf dem Originalbild in der Mitte ist ein irakischer Soldat umringt von US-Soldaten erkennbar. Er wird mit einer Waffe bedroht und bekommt gleichzeitig etwas zu trinken. Der linke Ausschnitt zeigt lediglich die Bedrohung für den Soldaten. Das rechte Bild erweckt den Eindruck, dass dem Soldaten geholfen wird. Je nach Ansicht bekommen wir einen bestimmten Eindruck, der jedoch die tatsächlichen Geschehnisse der Situation verbirgt.
Bilder werden oft auch in einem falschen Zusammenhang im Netz gepostet. Fotos aus anderen Kriegen werden benutzt, um die Grausamkeit des eigenen Kriegsgegners zu betonen. Dieses Bild wurde beispielsweise am 26. Juli 2014 auf Twitter gepostet, um der Welt die Grausamkeit Israels im Gaza-Konflikt zu präsentieren. In Wirklichkeit stammt das Foto aber aus dem Syrienkonflikt von 2009. Es diente bereits auch in anderen Netzwerken als Beispiel für die Verbrechen des Assad-Regimes.
Abbildung 6: Hadath Media Center (h.m.c.)
Jeder Soldat kann inzwischen eigene Bilder an der Front schießen. Sie müssen jedoch immer mit dem Presseoffizier abgestimmt und von ihm abgesegnet werden. Durch Militär und Medienagenturen wird vieles kontrolliert und bestimmt, was an die Öffentlichkeit kommen darf. Andererseits stellen viele Amateure aber auch ihre Bilder ins Netz. Da mittlerweile jeder die Möglichkeit hat, Bilder ungeprüft zu veröffentlichen, ergibt sich eine neue Problematik: Der Betrachter muss selbst differenzieren, welcher Quelle er Glauben schenken kann. Die Glaubwürdigkeit von Bildern ist heute zweifelhafter denn je.
Das fotografierte Kriegsgeschehen wurde zur Bühne des Fotografen und das Bild von den kriegerischen Handlungen ist nur auf ein überschaubares Schlachtfeld begrenzt. Dennoch nehmen die Fotografen die Rolle des Zeugens ein. Er sieht, aber wird nicht gesehen. Als wahrer Held im Hintergrund kann er so, umhüllt vom militärischen Schutzmantel, seiner Arbeit als Bildberichterstatter nachgehen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Macht des Visuellen das Verhältnis der Gesellschaft zum Krieg erfasst und die Meinungen der Einzelpersonen prägen. Sehen wir keine Bilder, existieren die bewaffneten Konflikte oder bestimmte Szenen davon für uns nicht wirklich. Erst, wenn der Krieg zu einem Medienereignis wird, ist er real für uns. Der Wandel der Bilder hat also Wirkung auf das Wissen über diese Geschehnisse. Der Krieg ist an sich ein komplexes System und wird sich niemals in seiner ganzen Tragweite begreifen und sehen lassen.
Quellen:
Abbildungen:
Abbildung 1: http://kurier.at/kultur/gestellte-wirklichkeit-unsere-bilder-aus-dem-ersten-weltkrieg/37.348.115
Abbildung 4: http://www.badische-zeitung.de/ausland-1/was-ist-gefaelscht-und-was-ist-echt–83165300.html
Abbildung 5: http://www.spiegel.de/fotostrecke/manipulierte-bilder-fotostrecke-107186-3.html
Abbildung 6: http://www.spiegel.de/politik/ausland/fotos-aus-gaza-krieg-mit-gefaelschten-bildern-a-983689.html
Bücher:
Holzer, Anton (2003): Mit der Kamera bewaffnet. Krieg und Fotografie. Marburg: Jonas Verlag.
Hüppauf, Bernd (2015): Fotografie im Krieg. Aufl. 2015. Paderborn: Fink, Wilhelm.
Internetquellen:
http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2003/erste8192.html
http://www.badische-zeitung.de/ausland-1/was-ist-gefaelscht-und-was-ist-echt–83165300.html
http://www.spiegel.de/politik/ausland/fotos-aus-gaza-krieg-mit-gefaelschten-bildern-a-983689.html